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Aufnahme: 16.06.2018 , Sophiensæle (Video © Walter Bickmann)

Anja Müller

Three Cheers to Existence

Sophiensæle

Texte zur Produktion

Ein Gruppenstück für eine Person: In einer Zeit, die zwischen Profilierungswahn und bedingungsloser Flexibilität alles abverlangt sucht Anja Müller mit all ihren zersplitterten Identitäten innere Landschaften der Sehnsucht auf. Dort feiert sie den Körper selbst als einen Ort stetiger Transformation, den eine Armada erratischer, unterschiedlichster Charaktere durchwandert und animiert. Diese bemächtigen sich ihrer Gesten, ihrer Mimik und ihrer Stimme, agieren miteinander, gegeneinander und manchmal auch gleichzeitig. An Orten jenseits aller Zeit raunen sie von dem, was mal war und erinnern sich gemeinsam an das was noch kommen wird.

Doch was passiert, wenn der Mensch zur Chimäre wird, weil das Ich tatsächlich mehr als eines ist und alle etwas ausdrücken wollen? Wenn in diesem Moment, mit diesem einen Körper, frei nach Karl Valentin alles schon getan(zt) wurde, nur noch nicht von allen? In einer Mischung aus Tanz und Performance stellt Anja Müller sich als absolutes Medium zur Verfügung und verhandelt die Einbindung und Verknüpfung aller möglichen Identitätsentwürfe so unmittelbar wie möglich: mit ihrem Körper.

EIN DREIFACHES HOCH AUF DIE EXISTENZ

EINS
Am Anfang war ein Himmel voller Sonnen. Und die Sonnen waren sich selbst genug und die Planeten drehten ihre Kreise und in der Mitte des Universums klaffte ein schwarzes Loch. Das war sehr klein und sehr leer und es suchte die Nähe der hellen Sterne ringsum und rief sie bei ihrem Namen. Doch als die Sterne näher kamen, fanden sie nichts vor, nur eine Dunkelheit. Und als die Sterne noch näher kamen – denn sie konnten nicht mehr widerstehen – da berührten ihre Strahlen den Rand und verschwanden darin und mit ihnen verschwand alles Licht, bis die Sterne selbst nicht mehr da waren, und das schwarze Loch ein kleines Stückchen größer. So wächst und frisst und breitet es sich aus. Nicht mehr lange wird es dauern, bis seine Ränder auch über unserem Himmel erscheinen. Schau, vom Berg aus können wir es schon sehen. Und wenn wir hindurch treten liegt uns alles offen. Und das ist, wie alles begann.

ZWEI
Am Anfang war das Ende.
Denn wenn nichts mehr ist, ist alles möglich.
Und das ist, wie alles begann.

DREI
Am Anfang war ich ganz allein. Da, wo früher einmal Menschen ein Gesicht getragen hatten, trug ich nur etwas Unbestimmtes, so karg und leer und starr wie die Landschaft rings um mich herum. Eine unbeschriebene Fläche, bereit, gefüllt zu werden. Das war alles, was ich besaß in einer Welt, die schon zerstört war, oder die sich gerade neu erfindet. Und aus zwei Kieselsteinen, die ich in einem ausgetrockneten Flussbett fand, da machte ich mir zwei Augen und setzte sie mir in den Kopf. Und aus einem halb zerfallenen Ast einen Mund, den steckte ich mir an, und aus einer Handvoll Sand, die nahm ich als Gedanken und streute sie mir über meinen Schädel. So lief ich durch die Welt. Und sah durch die Kiesel alles mit der Indifferenz ewiger Mineralien und sprach die Sprache sich zersetzender Organismen. Und dachte Gedanken, die konnte ich nie halten, sie rieselten immer durch das Kinn und durch die Brust wieder auf den Boden. Immer, wenn ich lief und dachte, hinterließ ich eine solche Spur. Einmal, ich machte gerade eine Rast, da kam mir jemand auf diesem Weg entgegen. Und das ist, wie alles begann.

ANJA MÜLLER ist Choreografin, Performerin und Musikerin. Nach ihrer Ausbildung im Zeitgenössischen Tanz in Berlin studierte sie Choreografie in Amsterdam und arbeitete als Tänzerin u.a. für Meg Stuart. In ihren eigenen Arbeiten gilt ihr Interesse der Vermischung von Tanz mit anderen Formaten wie z.B. Film, Live-Animation und Konzerten. Sie spielt Schlagzeug in der Post-Punk Band Kala Brisella und ist Teil des internationalen sechsköpfigen Performance-Band-Kollektivs John The Houseband. Zusammen mit dem Orchester der Norrlandsoperan Umea/ Schweden schufen sie im letzten Jahr eine Neuinterpretation von Tschaikowskys Nussknacker, die im November 2017 in Umea uraufgeführt wurde. Anjas letzte Soloarbeit La Mula – A Beatmusical wird seit 2014 europa- und weltweit gezeigt. determueller.com

DENNIS DETER ist gebürtiger Berliner und lebt und arbeitet als Dramaturg, Choreograf und Performer. Er studierte Philosophie und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin und arbeitete bereits mit verschiedenen Künstler_innen wie Gui Garrido, Begüm Erciyas und dem White Horse Kollektiv. Mit John The Houseband tourt er seit sechs Jahren europaweit und spielt Bass bei Kala Brisella. Seine letzte Arbeit Blow Boys Blow feierte im Februar 2016 in der Tanzfabrik Berlin Premiere und wird bei der Tanznacht 2018 wieder in Berlin gezeigt. determueller.com

JOCHEN HAKER ist Musiker, Lichtdesigner und Performer. 2008 beendete er am Theater Freiburg seine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker und arbeitete dort in zwei weiteren Jahren als Licht- und Tontechniker im Bereich Tanztheater und Schauspiel. Seit 2014 lebt er in Berlin und hat u.a. für Produktionen wie La Mula und mit Künstler_innen wie dem Kollektiv Deter/Müller/Martini, Zeitkratzer, Su-Mi Jang und Sung-Im Her zusammen gearbeitet. Außerdem spielt er zusammen mit Dennis und Anja bei Kala Brisella. Zuletzt gestaltete er Licht und Musik in der neuesten Produktion von Deter/Müller/Martini In The Forest There Is und war als Lichtdesigner bei der Produktion von John The Houseband an der Norrlandsoperan Umea/Schweden dabei.

SANDRA E. BLATTERER ist eine in Berlin lebende Künstlerin. Ihre multidisziplinären Arbeiten kombinieren und changieren zwischen Fotografie, Video, Installationen und kontextuellen Performances. Als Lichtdesignerin arbeitete sie bereits mit verschiedenen Künstler_innen im Performancebereich zusammen. Letzte Zusammenarbeiten: Tian Rotteveel K3 Residenz/Hamburg; Lichtkonzept Projecting Space von Meg Stuart/damaged goods, Jeroen Peeters und Jozef Wouters bei der Ruhrtriennale 2017; am HAU war sie Teil der kollaborativen Arbeit City Lights – A Continous Gathering von Maria F. Scaroni.

[Quelle: www.sophiensaele.de & Abendzettel]

TFB Nr. 1195

Besetzung & Credits

CHOREOGRAFIE, PERFOMANCE: Anja Müller
DRAMATURGIE, TEXT: Dennis Deter
SOUND, PERFORMANCE: Jochen Haker
LICHT: Sandra Blatterer
BÜHNE: Jochen Haker, Anja Müller
KOSTÜM: Lilli Wagner, Anja Müller
PRODUKTIONSLEITUNG: Barbara Greiner
PRODUKTIONSASSISTENZ: Stephanie Königer
MUSEN: Jared Gradinger, Angela Schubot
DANK AN: Lea Martini, André Wunsdorf, Igor Dobricic, Rihanna, Satish Kumar, Wiesenburg, HAU 2, Tanzfabrik Berlin, Uferstudios, DOCK 11/EDEN

Eine Produktion von Anja Müller in Koproduktion mit PACT Zollverein und SOPHIENSÆLE.
Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds.
Unterstützt durch artblau Tanzwerkstatt Braunschweig und die Rudolf Augstein Stiftung.

Sophiensæle

Sophienstraße 18
10178 Berlin

sophiensaele.com
Karte

Tickets: (030) 283 52 66

Videodokumentation

Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:

Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin

Anja Müller / Trailer und Videodokumentationen

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