Texte zur Produktion
Ein US-Helikopter kreist über Bagdad. Der Bordschütze nimmt eine Gruppe von Zivilisten ins Visier.
„Come on, fire!“
Im Juli 2007 starben bei diesem Luftangriff der amerikanischen Armee 12 Menschen, sechs wurden schwer verletzt. Ohne Provokation, nur auf einer Spekulation über eine mögliche Schusswaffe beruhend. Als ein Auto herbei eilt, um den Verletzten zu Hilfe zu kommen, wird weiter geschossen – auf die Helfenden, die Verletzten, die bereits Toten.
Erst drei Jahre später veröffentlicht WikiLeaks das Video, von der Bordkamera des Helikopters gefilmt und mit den Originalkommentaren der US-Soldaten während des Angriffs.
Dem angeblichen Informanten, Bradley Manning, einem 24-jährigen US- Soldaten, wird zurzeit der Prozess gemacht – als Höchststrafe erwartet ihn lebenslange Haft.
„Look at those dead bastards“ -„Nice“
Man sieht und hört solche Szenen, man liest von Flugangriffen und den neuen Kampftechniken, und schließlich kommt man nicht mehr umhin, eine Veränderung des Krieges zu bemerken: Krieg wird zunehmend körperlos und dadurch immer weiter im Physischen entmenschlicht: In der Vergangenheit vor allem noch im Kampf zwischen menschlichen Körpern ausgetragen, passiert Krieg heute mittels Helikopter oder Drohnen – ohne körperliche Präsenz auf der Angreiferseite. Attackierer und und Attackierter können sich nicht mehr fühlen, oftmals nicht mehr sehen. Und spüren somit immer weniger die Konsequenz ihres Tuns. Fällt es leichter abzudrücken, wenn man weiter weg ist? Fällt es leichter zu vergessen und zu verdrängen, wenn man den Verwundeten nicht sieht?
Während der Krieg an Körperlichkeit verliert, stellt FIRE AND FORGET den Körper in den Mittelpunkt. Die Klangbildkomposition von Peter M. Glantz nutzt das Original-Tonmaterial des Funkverkehrs. In dem eindringlichen Solo über eine immer mehr ferngesteuerte, körperloser werdende Kriegsführung konfrontieren Verena Wilhelm und Christian Weiß die Bewegungen der Tänzerin mit dem authentischen Tonmaterial des Angriffs und lenken unser Bewusstsein zurück auf das Individuum, auf den verletzbaren Körper im Kampf.
VERENA WILHELM (*1986) erhielt ihre Ausbildung zur Bühnentänzerin in Berlin. Seit ihrem Abschluss Ende 2009 ist sie freiberuflich als Tänzerin und Choreographin tätig, arbeitete u.a. mit Martina Morasso, Davis Freeman, kombinat und Modjgan Hashemian. Die Zusammenarbeit mit mehrsicht/ Christian Weiß begann Anfang 2010. FIRE AND FORGET ist die fünfte daraus entstandene Produktion. In diesem Jahr ist eine Weiterarbeit am Thema „Kriegskörper“ geplant. Entstehen wird ein abendfüllendes Stück, in dem das Tanzsolo den ersten Teil bilden wird.
CHRISTIAN WIESS arbeitet als freier Regisseur, Dramaturg und Performer im Grenzbereich von Theater, Performance/Tanz und Installation. In der Vergangenheit tat er dies unter anderem am Theater Freiburg, besonders aber in eigenen Produktionen. Vor 11 Jahren gründete er mit befreundeten Künstlern in Braunschweig „mehrsicht“ und hat seit einigen Jahren einen Lehrauftrag an der dortigen Hochschule für Bildende Künste. 2010 erhielt er ein Stipendium des European Network of Performing Arts.
[Quelle: Abendzettel]
Besetzung & Credits
Choreografie, Tanz: Verena Wilhelm
Regie, Dramaturgie, Lichtdesign: Christian Weiß
Klangbildkomposition: Peter M. Glantz
Kostüm, Maske: Verena Wilhelm, Christian Weiß
Tanztage Berlin 2012
Künstlerische Leitung: Peter Pleyer
Produktionsleitung: Franziska Schrage
Produktionsbüro: Cilgia Gadola
Mitarbeit: Marion Gonzáles de Mendoza, Sanna Møller Albjørk
Technische Leitung: Sandra Blatterer
Die 21. TANZTAGE BERLIN sind eine Produktion der Tanztage Berlin GbR und SOPHIENSÆLE, in Zusammenarbeit mit Tanzfabrik Berlin e.V. und dem Polnischen Institut Berlin. Gefördert aus Mitteln des Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten. Mit freundlicher Unterstützung von Tanzwerkstatt Berlin / Kulturprojekte Berlin GmbH, Dussmann das KulturKaufhaus, Tanzforum Berlin, Uferstudios, TiSCH – Theater im Schokohof, AV-Tour GmbH und Ballettcentrum am Kurfürstendamm.
Sophiensæle
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin