Texte zur Produktion
“Our machines are disturbingly lively, and we ourselves frighteningly inert.”
― Donna J. Haraway
Zwei tanzende Körper auf der Bühne. Der eine ist eine lebende Maschine – ein menschlicher Körper. Der andere eine programmierte Maschine – eine künstliche Intelligenz. Beide wurden in Volkstänzen ausgebildet. Die eine fünf Jahre an einer akademischen Tanzschule. Die andere ist ein Algorithmus für maschinelles Lernen, der Dutzende von Volkstänzen aus aller Welt gelernt hat und darauf trainiert wurde, synthetische „Volkstänze“ selbständig zu choreografieren, d.h. zu cybero-grafieren.
Zwischen diesen Tanzpartner:innen entspinnt sich ein Dialog aus Traditionen und Möglichkeiten, der sowohl offen als auch spezifisch, harmonisierend und konkurrierend, mechanisch und spirituell ist. Sie suchen nach einer Allianz, die uns einlädt, die Fähigkeit eines Körpers zu erforschen, sich in einem kontinuierlichen Akt des Unlernens automatischer Routinen zu bilden und immer wieder neu zu erschaffen, indem sie den anderen Körper dazu bringen, sich auf eine neue Weise zu bewegen, während sie ihre Bewegung zu einem autonomen ästhetischen Feld abstrahieren.
Volkstänze überliefern ein den Körper disziplinierendes Erbe, indem sie ihn zum Repräsentanten kultureller Identitäten machen. Wenn wir Komplexität und hybriden Identitäten in unserer heutigen Welt anerkennen, sollten wir dann nicht auch die ehemaligen „Tänze des Volkes“ überdenken und neu miteinander in Beziehung setzen? Kann uns künstliche Intelligenz dabei helfen, diese ererbten körperlichen Praktiken zu enthierarchisieren und neu zu erfinden? Wie könnte die kinästhetische Konstruktion der zukünftigen Welt aussehen und wer wird wen bewegen/laufen/choreografieren/steuern/führen?
Irina Demina führt mit dieser Arbeit ihre Auseinandersetzung mit Tradition und Technologie fort, wie sie bereits in ihren letzten Stücken AcT II (2020) und Perpetual Myth (2021) angelegt ist.
Irina Demina ist eine in Berlin lebende Choreografin und Tanzkünstlerin. Sie absolvierte ihre Tanzausbildung in Moskau und Hamburg, schloss ihr Studium an der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität (Fakultät für Philologie) ab und erhielt einen Master-Abschluss in Choreografie am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin (HZT). Als Tänzerin arbeitete sie mit den Choreografen Xavier Le Roy, Jochen Roller, Angela Guerreiro, Soodong Jung, Jessica Nupen, Halla Olafsdottir u. a. zusammen. Seit 2008 entwickelt sie ihre eigenen choreografischen Projekte (Perpetual Myth 2021, On the Silver Planet 2021, Herbarium LAB 2019, Be Water, My Friend 2017, Banshee Ragout 2017, TRAUMLABOR. reality check 2016, Accumulalation 2014 etc). Für ihre Performances und Choreografien hat Demina nationale und internationale Anerkennung erhalten. 2021 war sie Stipendiatin der Pina Bausch Foundation und 2017 des internationalen Kunstprojekts für die Olympischen Winterspiele in Südkorea. Im Auftrag verschiedener Institutionen wurde sie zu choreografischen Residenzen in Deutschland, Südkorea, Norwegen, Spanien, Ungarn, Russland usw. eingeladen. Deminas Arbeit ist inspiriert vom Experimentieren mit Körperfiktionen und der Schaffung eines performativen Dialogs zwischen Analog und Digital, Tradition und Technologie, Fiktion und Realität, während sie auf dem schmalen Grat zwischen Geschichte und Moderne, Sinn und Unsinn, Verführung und Abstoßung, (unbekannter) Vergangenheit und (ungewisser) Zukunft tanzt.
irinademina.com
[Quelle: dock11-berlin.de]
TFB Nr. 1641
Besetzung & Credits
Konzept / künstlerische Leitung / Co-Choreografie: Irina Demina
Choreo(cybero)grafie: KLOF-Modell
Co-Choreografie, Tanz: Viktória Kőhalmi
Ton: Michelangelo Contini
Programmierung des maschinellen Lernens: Dávid Samu
Computeranimation: Yaron Maïm
Bühnenbild: Yue Ying
Kostümbild: Justyna Gmitrzuk
Lichtdesign und Projektion: Agustin de Olarte
Dramaturgische Unterstützung: Ana Letunić
Produktion: Tammo Walter
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.
Recherche gefördert durch ein Arbeits- und Recherchestipendium und Tanzpraxis Stipendium der Senatsverwaltung für Kultur und Europa Berlin.
DOCK 11
Kastanienallee 79
10435 Berlin
Tickets: dock11-berlin.de/theater/service/tickets
DOCK 11 / DOCK ART GmbH
dockart@dockart.de
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin