Texte zur Produktion
Der Berliner Choreograf und Regisseur Laurent Chétouane, zukünftig eng mit dem HAU verbunden, setzt sich in seiner neuen Arbeit mit einem der einflussreichsten Werke der Musik- und Tanzgeschichte auseinander: „Le Sacre du Printemps“, eine Komposition, die zahlreiche Künstler – von Maurice Béjart bis Pina Bausch – inspiriert hat. Der drei- teilige Abend mit sieben Tänzern entwirft im musikalischen Spannungsfeld zwischen Strawinskys Vorlage und einer Neukomposition von Leo Schmidthals die Vision eines Zusammenlebens mit dem Fremden und seiner Unrepräsentierbarkeit.
von: Laurent Chétouane
Datum: 7. Mai 2012
an: Leonie Otto
„Man schaut nicht mehr dem Fremden auf der Bühne zu, sondern das Fremde schaut uns an. Das ist es, was wir erreichen müssen am Ende von Sacré Sacre, unserer Opferung von Sacre. Vom Fremden angeschaut zu werden, aber es nicht mehr anschauen können, da es keine Formen der Repräsentation hat. Das Fremde kann nicht dargestellt werden, aber durch Konstellationen erlebbar gemacht werden. Diese Konstellationen sind dann nichts anderes als mathematische Formeln, die nur für sich existieren, die aber gleichzeitig etwas öffnen, das sie nicht repräsentieren. Da liegt eine Grundfrage beziehungsweise Grundthematik, die mich inspiriert. Das Reale Lacans ist nicht repräsentierbar (keine symbolische Ordnung kann es fassen), aber trotzdem spürbar und erlebbar. Lacan hat in seiner topologischen Phase versucht, sich dem Realen durch die Mathematik anzunähern, ohne eine symbolische Sprache, die auf etwas anderes verweist als das, was es ist. Ich versuche, auf der Bühne choreografische Formationen zu entwickeln, die nichts darstellen, sondern etwas zur Existenz bringen, etwas, das nur in dieser Veräußerlichung erlebbar wird.“
von: Laurent Chétouane
Datum: 23. Mai 2012
an: Leo Schmidthals, Leonie Otto
„Die Opferung der Erde halte ich auch für einen wichtigen Gedanken. Es gibt da zwei Aspekte: die Erde als Ursprung des Lebens, als den wir sie aber ausbeuten und verseuchen und die Erde als Ursprungsort einer sesshaften Kultur, als der sie etwas Geschlossenes hat, etwas, das besessen, verteidigt und zu Heimat erklärt wird und woraus Grenzen produziert werden. – ›Da komme ich her. Das ist meine Kultur. Mein Land. Mein Territorium. Und nicht deines.‹ Es ginge auf jeden Fall darum ein entspannteres Verhältnis dazu zu haben – ein ›luftigeres‹ Verhältnis. Die Luft, der Wind wären das Unbegrenzbare, Grenzenlose. Das dauerhaft Fließende, das Ursprungslose, das kommt und geht. Gerade das Gegenteil des Archaismus, der Ethnologie beziehungsweise Anthropologie als Sehnsuchtsort unserer möglichen Herkünfte. Die Herkunft muss von uns selbst konstituiert werden – kreiert werden. Vielleicht ist das Nomadentum unsere Zukunft. Das Gegenteil vom Kultivieren des Ursprungs.“
[Quelle: Abendzettel]
Besetzung & Credits
Choreografie: Laurent Chétouane
Komposition: Igor Stravinsky, Leo Schmidthals
Mit: Matthieu Burner, Joris Camelin, Kathryn Enright, Joséphine Evrard, Charlie Fouchier, An Kaler, Senem Gökçe Ogultekin
Bühne: Patrick Koch
Kostüme: Sophie Reble
Video: Tomek Jeziorski
Licht: Stefan Riccius
Dramaturgische Beratung: Leonie Otto
Künstlerische Mitarbeit: Anna Melnikova und Sigal Zouk
Körpertraining: Patricia Brülhart
Hospitanz: Sarah Bidoli / Sarah Blumenfeld
Produktion: Christine Kammer (Büro Tom Stromberg) und Hendrik Unger
Le Sacre du Printemps dirigiert von Igor Stravinsky, mit dem Columbia Symphony Orchestra, New York, 1960. Mit herzlichem Dank an Boosey & Hawkes.
Einspielungen für die Komposition von Leo Schmidthals: Hamburg Studio Strings unter Leitung von Stefan Pintev.
Mit herzlichem Dank an die Studentinnen des Masterstudiengangs Tanzwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin (Seminar von Laurent Chétouane als Gastprofessor im Wintersemester 2011/12) für die inspirierende Zusammenarbeit, sowie einem großen Dank an Marita Tatari und Melanie Zimmermann.
Eine Produktion der Sacré GbR in Koproduktion mit der Ruhrtriennale, PACT Zollverein Essen, Theater Bremen, Tanzquartier Wien, Rencontres chorégraphiques internationales de Seine-Saint-Denis (Frankreich), Kaaitheater Brüssel, Kampnagel Hamburg.
Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten.
Mit freundlicher Unterstützung von DOCK 11 / EDEN***** Berlin.
HAU Hebbel am Ufer (HAU1)
Stresemannstr. 29
10963 Berlin
Tickets: +49 (0)30 259 004 27
tickets@hebbel-am-ufer.de
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin
Laurent Chétouane / Trailer und Videodokumentationen
- Laurent Chétouane: Interview / Portrait Laurent Chétouane (2011)
- Laurent Chétouane: Op. 131 : End/Dance (2019)
- Laurent Chétouane: Invisible Piece #2: As if there were no end (2018)
- Laurent Chétouane: Invisible Piece #1: Duett für hörende Körper (2018)
- Laurent Chétouane: Out of Joint / Partita 1 (2017)
- Laurent Chétouane: KHAOS (2016)
- Laurent Chétouane: SOLI (2016)
- Laurent Chétouane: Considering (2015)
- Laurent Chétouane: BACH / PASSION / JOHANNES (2014)
- Laurent Chétouane: Hommage an das Zaudern (2012)
- Laurent Chétouane: horizon(s) (2011)
- Laurent Chétouane: Tanzstück #4: leben wollen (zusammen) (2010)