Texte zur Produktion
Ein Kabarett-MC, der unter immer verzweifelteren Bedingungen arbeitet, eine Musikerin mit Lampenfieber, eine Anti-Heldin, die über Jahrtausende hinweg die Gegenwart berührt – all diese Szenen haben eines gemeinsam: eine bestimmte Beziehung zwischen dem Publikum und einer Person, von der eine Performance erwartet wird. Diese Aufführungssituationen folgen zumeist festgelegten Regeln, die allen Beteiligten eine gewisse Sicherheit darüber geben, wie sie in einem bestimmten Raum und zu einer bestimmten Zeit zusammenkommen. Oft werden diese Konventionen unbewusst erlernt und wiederholt: Das Drag-Publikum muss in bestimmten Momenten jubeln und aufmunternde Rufe ausstoßen, Kabarett-Acts tauchen zur vereinbarten Zeit auf der Bühne auf, Schauspieler*innen können damit rechnen, dass das Publikum des bürgerlichen Theaters schweigend zuschaut und dann am Ende lange klatscht, ein Fernsehmoderator kann sich auf das Lachen des Live-Publikums im Studio als Reaktion auf seine Witze verlassen – und in einem Therapiegespräch sollten Probleme doch wenigstens in eine interessante Geschichte verpackt werden, oder? Gleichzeitig haben all diese Konventionen einen Preis und erfüllen ihre Funktion, indem sie entweder Perspektiven ausschließen oder repressive Hegemonien reproduzieren.
Too Much ist von der Idee inspiriert, dass sich diese Beziehungen ändern können – nicht, indem ein allumfassendes utopisches Szenario oder Höllen der Partizipation angestrebt werden, sondern durch die Neuausrichtung von Ein- und Ausschlüssen entlang weniger traditioneller Linien: durch die Aneignung von Relikten des westlichen Theater- und Musikkanons und Verweise auf lebendige, künstlerische Formen (queerer) Communities; durch das Spiel mit mehrdeutigen Personae mit Raum für deren Entfaltung; und durch ein entspanntes Setting, das unterschiedliche Bedürfnisse anerkennt. Die ästhetischen Fragen, sowie ihre sozialen und politischen Implikationen, die durch diesen Prozess und die Performance selbst aufgeworfen werden, sind natürlich zu viel, um sie an einem Abend zu lösen – aber diese Arbeit ist hoffentlich ein interessanter Beitrag.
[Quelle: Abendzettel]
TFB Nr. 1537
Besetzung & Credits
KONZEPT, CHOREOGRAFIE, PERFORMANCE: Olympia Bukkakis
PERFORMANCE: Oozing Gloop
DRAMATURGIE: Isabel Gatzke
BÜHNENBILD, VIDEO: Camille Lacadee
KOSTÜM: Jay Barry Matthews
TON: COOL FOR YOU (Vika Kirchenbauer)
LICHT: Maika Knoblich
PRODUKTIONSASSISTENZ: Paul Niedermayer
PRODUKTION: Lisa Gehring
TEXTE: Johann Sebastian Bach, Olympia Bukkakis, Cher, Medea nach Euripides (Paul Dräger), Oozing Gloop, verschiedene Wetterberichte
DANK AN: Thierry Tidrow, Purrja, Elena Schmidt, Melanie Jame Wolf, Alexis Mersmann
Eine Produktion von Olympia Bukkakis in Koproduktion mit SOPHIENSÆLE, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin.
Sophiensæle
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin