Texte zur Produktion
Die ungarisch-serbische Dichterin und Performerin Katalin Ladik gilt als „Yoko Ono des Balkans“ und Pionierin der Geräusch- und Performancekunst in Südosteuropa: Mit der „SoundBodyPoetry“ ihrer radikalen Körperkunst-Performance UFO Party aus dem Jahr 1969 erschütterte sie damals die Kunstszene und etablierte bereits in den 1970er Jahren Methoden der experimentellen Stimmarbeit und körperlichen Performance.
In ihrer ersten Zusammenarbeit zelebrieren die deutsche Tontänzerin Jule Flierl und die slowenische ChoreoVokalistin Irena Z. Tomažin ihr gemeinsames Interesse an Ladiks künstlerischer Position: Eine Hommage, die die Grenzen zwischen Poesie, Schauspiel und experimenteller Stimmarbeit verwischt und zugleich die eigene Forschung der beiden Künstlerinnen zur körperlichen Erfahrung von Sprache und der Artikulation verschiedener Schichten der Stimme fortsetzt.
“… Ihre Stimme wurde von einem Kassettenrecorder mit elektronischer Musik begleitet, ihre eigene Stimme positionierte sich komplett anders, das rhythmische Rumoren… mit einem Seil verbunden, und die Töne… hingen von ihrer Schulter. Manchmal rezitierte sie etwas während sie den Raum verließ und als sie nicht mehr zu sehen war, trugen die Lautsprecher ihre Stimme weiter…”
Brief von László Lakner an Gábor Altorjay, 16. Juni 1970, aus dem Buch von Emese Kürti, SCREAMING HOLE, 2017 veröffentlicht bei acb RESEARCHLAB
KATALIN LADIK, 1942 im serbischen Novi Sad geboren, ist eine Poetin. Papier jedoch – das althergebrachte Medium der Poesie – ist ihr zu statisch, weshalb sie es durch ihren Körper ersetzt: sinnlich, individuell, politisch. Ihre kontroversen poetischen Performances wurden von grafischen Partituren begleitet – in aufrüttelnden Bildern angeordnete Collagen, die die Künstlerin, oft nackt, in situ interpretierte. Ihre vokalen Kompositionen drehten sich um die grundlegende Natur von Tönen und Klängen. Sprache wurde ihrer Bedeutung entkleidet und in einzelne Phoneme zerlegt mit dem Ziel, die urtümlichen, instinktiven, mechanischen Aspekte des Sprechens bloßzulegen. Ladiks atemberaubendes stimmliches Repertoire (von Obertönen bis hin zum Bass) machte jeden ihrer öffentlichen Auftritte, ob als Solistin oder Mitglied von Musikoder experimentellen Künstlergruppen, zu einem sozialen Ereignis. Ladik ist Poetin, bildende Künstlerin, Performerin und Schauspielerin – gleichzeitig. Sie ist fasziniert von Spannungen, Migration, Grenzüberschreitung. Sie verbindet dynamische Instabilität mit Freiheit, unvollkommene Definitionen mit Potenzial, dynamische Unschlüssigkeit mit einem Ausweg aus simpler Verallgemeinerung. Sie erfindet ihre Sprache(n) unablässig neu. Ihre Arbeit beruht auf permanenter Differenzierung – Verzerrungen, Anomalien, Pausen, dissonanten Elementen – und ist dennoch überraschend kohärent.
IRENA TOMAŽIN ist eine Tänzerin, experimentelle Sängerin und Philosophin, die im experimentellen Theater und Musikkontext arbeitet. Ihre Arbeiten waren u.a. Gegenstand der Analyse von Bojana Kunst (The voice of the dancer) und Sophie Herr (Geste de la voix et théatre du corps), ihre Schriften zur Stimmphilosophie wurden in diversen Kunstpublikationen veröffentlicht. Sie hat drei Alben herausgebracht: Crying Games, Taste of Silence und Lump in the throat. Ihre Arbeit ist eine konsequente Erforschung der nicht-linguistischen Stimme als Medium in körperlichen Performances. Sie arbeitete u.a. mit Janez Jansa, Tino Sehgal, Mala Kline, Christian Kesten and Josephine Evrad zusammen. Irena unterrichtet bei der Workshop Serie The world is Sound in Berlin. (documenta14.de/de/artists/13488/katalin-ladik)
JULE FLIERL ist eine Tanz- und Stimm-Künstlerin, die Methoden entwickelt, in der die Stimme zum tanzenden Element wird. Sie übersetzt Tanz in den akustischen Raum. Ihre Arbeit ist zwischen experimenteller Choreografie und somatischen Gesangstechniken angesiedelt, mit welchen sie die Beziehung zwischen Hören und Sehen aus dem Gleichgewicht bringt. Sie führt das Vermächtnis der avant-garde Tänzerin Valeska Gert weiter, die in den 1920’er Jahren den TonTanz erfand: mit seiner Stimme tanzen. Sie ist Initiatorin und Ko-Gastgeberin der Stimmperformance-Serie FROM BREATH TO MATTER in Berlin. Sie arbeitete als Tänzerin mit Bryan Campbell, Martin Nachbar, Ibrahim Quarishi, Gintersdorfer/Klaßen, Sergiu Matis, Tino Sehgal, Meg Stuart u.a.
[Quelle: Abendzettel]
TFB Nr. 1539
Besetzung & Credits
KONZEPT, CHOREOGRAFIE, PERFORMANCE: Irena Z. Tomažin, Jule Flierl
LICHT: Gretchen Blegen
TON: Nicola Ratti
KOSTÜM: Jean-Paul Lespagnard in Zusammenarbeit mit Muriel Kunkel und Marcelo Chavira
HISTORISCHE BERATUNG, DRAMATURGIE: Kata Kasznahorkai
PRODUKTIONSLEITUNG: Alexandra Wellensiek, Zavod Sploh
ASSISTENZ: Sharón Mercados Nogales
Eine Produktion von Irena Z. Tomažin + Jule Flierl in Koproduktion mit SOPHIENSÆLE (Berlin), Zavod Sploh (Ljubljana), Charleroi Danse Centre chorégraphique de Wallonie-Bruxelles (Brüssel), PACT Zollverein (Essen).
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin.
Dank an: Ausland Berlin, Theaterhaus Mitte, Uferstudios, Eden/Dock 11, Maria Jerez, Mateusz Szymanówka, Lulu Obermayer, Luise Meier, Vera Pulido, Gaetan Rusquet, Adaline Anobile, Myriam van Imschoot, Marcus Berger, Antonia Baehr.
Sophiensæle
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin
Jule Flierl / Trailer und Videodokumentationen
- Jule Flierl: Interview / Portrait Jule Flierl (2019)
- Jule Flierl: Time out of Joint (2023)
- Jule Flierl: Die Hörposaune (2022)
- Jule Flierl: WISMUT – A NUCLEAR CHOIR (2019)
- Jule Flierl: Störlaut (2018)
- Jule Flierl: Operation Orpheus (2016)
- Jule Flierl: A SOUND HAS NO LEGS TO STAND ON (2016)
- Jule Flierl: KÖRPERRUIN 2 – Meta, Meta, Meta für Meter (2014)
- Jule Flierl: Happiness is a war…m gun 3 (2011)