Texte zur Produktion
Kareth Schaffers «Question of Belief» entwirft eine Dämonologie des Zeitgenössischen. Inspiriert von den kontemplativen Praktiken der Wüstenmönche, navigieren die Tänzerinnen Mădălina Dan und Manon Parent geschickt zwischen Aktionismus und Trägheit, Ablenkung und Apathie. Dämonen erscheinen und verschwinden in der langsam aufblähenden Bühnenlandschaft von Dan Lancea. Question of Belief lädt zu einem verkörperten Blick auf jene Teile von uns selbst – und von anderen – ein, die wahrscheinlich einfach ignoriert werden sollten, aber immer wieder aufzutauchen scheinen.
In einer sich langsam aufblasenden Bühnenlandschaft des Stage-Designers Dan Lancea, die mal die Gestalt einer Schnecke, eines Ungeheuers oder eines schlaffen Phallus annimmt, führen die Performerinnen Mădălina Dan und Manon Parent einen skurrilen Feldzug gegen die ganz ordinären Dämonen des Alltags. Während Kartoffelchips-getriebener Welt- und Selbstverbesserungs-Phantasien, Smartphone-induzierter Contactless Impro oder einem lethargischen Gähn-Wettbewerb bricht plötzlich die Wut aus den Tänzerinnen heraus, nur um sich im nächsten Moment zerstreuen zu lassen, und gleich darauf schon wieder dem Aktionismus zu verfallen.
Jeden Umweg nehmend, kämpfen sie sich zwischen Faulheit und Apathie hin und her, ertrinken kläglich in der Langeweile und triumphieren lautstark über die Prokrastination. Auf diese Weise entfaltet sich im Laufe von Question of Belief eine von Dan und Parent verkörperte Dämonologie des Zeitgenössischen. Zu den subtilen Synthesizer-Rhythmen der Sound-Designerin Jean P’ark, die durch ihre formale Struktur mal an altgriechische Epen, mal an frühe Videogames erinnern, bezeugen die Zuschauer*innen eine verkorkste Odyssee durch unsere mehr oder minder produktiven Besessenheitszustände der Gegenwart. Question of Belief untersucht die vielfältigen Körperkonstitutionen, in die wir im Namen unterschiedlicher Glaubenssysteme versetzt werden, und schafft gleichzeitig einen Erfahrungsraum für die Wunder, die auch jenseits von spiritueller Askese und Work Hard-Paradigma immer schon möglich waren.
KARETH SCHAFFER ist Choreografin und Performerin und lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland. Sie praktiziert einen erweiterten Choreografiebegriff: Bisher hat sie in ihren Tanzstücken Prophezeiungen, Schlammcatchen, Thriller, Synchronschwimmen, Foley, Angela Merkel, Emojis, alte Klosterpraktiken und Gesprächsformate unter die Lupe genommen. Ihre Arbeiten wurden in Berlin (Sophiensæle, Tanzfabrik, HAU, Uferstudios, Ballhaus Ost), Amsterdam (Het Veemtheater), Düsseldorf (tanzhaus NRW), Essen (PACT Zollverein), Malmö, Hamburg (Kampnagel), Denpasar (CushCush Gallery) und Mexico City gezeigt. Kareth Schaffer wurde vom Jahrbuch Tanz als „New Talent 2016“ ausgezeichnet und zur „Tänzerin des Jahres 2018“ nominiert. Außerdem wurde sie 2018 mit dem Pina Bausch Fellowship in Kooperation mit dem Mekar Bhuana Center in Denpasar, Bali ausgezeichnet. Schaffer arbeitet gerne mit und für andere Künstler*innen wie deufert&plischke, Tino Sehgal, Stefanie Wenner, Yvon Chabrowski, Christian Falsnaes, Tomomi Adachi, Dragana Bulut, und Barbara Berti.
constructioncompany.dance
[Quelle: Abendzettel]
TFB Nr. 1644
Besetzung & Credits
Künstlerische Leitung, Konzeptentwicklung, Choreografie: Kareth Schaffer
Performance, Choreografie: Mădălina Dan, Manon Parent
Sounddesign: Jean P’ark
Bühne: Dan Lancea
Kostüme: Lauren Steel
Licht: Elliott Cennetoglu
Produktionsleitung: M.i.C.A. – Movement in Contemporary Art
Mit Dank an Joseph Wegmann und Michael Ludwig Tsouloukidse.
Eine Produktion von Kareth Schaffer in Koproduktion mit SOPHIENSÆLE.
Gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.
Sophiensæle
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin
Kareth Schaffer / Trailer und Videodokumentationen
- Kareth Schaffer: Interview / Portrait Kareth Schaffer (2020)
- Kareth Schaffer: IN DER LUFT (2024)
- Kareth Schaffer: Bird Dances (2024)
- Kareth Schaffer: No More Suffering (2022)
- Kareth Schaffer: CASSANDRA HAS TURNED 2 (2018)
- Kareth Schaffer: Unheard of (2016)
- Kareth Schaffer: AN ANIMAL WENT OUT (2016)
- Kareth Schaffer: Temporary Archipelago no. 2 INTERLUDING (2014)
- Kareth Schaffer: AS EASY AS 1, 2, 3 (2014)