Texte zur Produktion
Der Mensch hat sich laut Freud für den aufrechten Gang „entschieden“. Die Geburt der Kultur sei dieser vertikalen Position zu verdanken. Was passiert aber, wenn der Mensch diese Referenz – die Achse des Denkens überhaupt – aufgibt? Was bedeutet es dann zu liegen, zu stehen, zu gehen, zu tanzen, ohne auf den aus dieser Vertikale hervorgehenden (Über-) Blick zurückzugreifen?
Mit dieser Frage untersucht Laurent Chétouane in seiner neuen Arbeit die Möglichkeit eines anderen Verhältnisses zum Körper, zum Anderen, zum Raum und zur Umwelt: eine neue Orientierung für ausgesetzte und fragile Körper, die in ihrer Verletzlichkeit und in Anlehnung an Judith Butlers Konzept der „Vulnerability“ den Kern des Menschlichen jenseits stabiler Identitäten erleben.
Drei Tänzer*innen werden im ersten Teil eine „choreografierte Praxis“ dieses horizontalen Körpers mit dem Publikum teilen. Stehend befinden sich die Zuschauer*innen inmitten des Geschehens und erfahren die Hauptkoordinaten dieses Tanzes: den Boden, das Hören, das Fallen. Im zweiten Teil erproben die von Bachs „Partita Nr. 1“ (h-Moll für Violine solo) inspirierten und begleiteten Körper Konstellationen des Zusammenseins – unter sich und gemeinsam mit dem Violinisten. Zwischen Publikum und den Akteur*innen beginnt die utopische Möglichkeit einer „Gemeinschaft der Verletzlichen“.
Laurent Chétouane (geb. 1973 in Frankreich) inszeniert nach einem Ingenieurstudium und Studien in Theaterwissenschaft (Sorbonne/Paris) und Theaterregie (Frankfurt) seit 2001 an großen deutschen Bühnen und an Theatern in ganz Europa. Parallel hat er seit 2006 als Choreograph achtzehn Tanzstücke erarbeitet, die alle innerund ausserhalb Europas zu Gastspielen eingeladen wurden. 2012 und 2014 erhielten seine Tanzstücke Einladungen zur Tanzplattform. Chétouane ist Gastdozent und Gastprofessor an mehreren künstlerischen Hochschulen. Er erhielt die Wild Card der RUHR.2010 und 2008 den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für hervorragende junge Künstler. Mit seinen Arbeiten, unter anderem „Sacré Sacre du Printemps“, „SOLI“ und „KHAOS“, ist er wiederkehrend am HAU Hebbel am Ufer vertreten. laurentchetouane.com
Florence Casanave, 1983 in Frankreich geboren, studiert Ballett, Jazz und zeitgenössischen Tanz an der Epsedanse in Montpellier, von 2004 bis 2006 bei P.A.R.T.S. in Brüssel. Danach arbeitete sie mit Choreographen wie Salia Sanou und Seydou Boro, Cécile Borne, Alessandra Piccolli, Christian und François Ben Aïm, Eleonore Didier sowie Anne Collod. „Out of Joint / Partita 1“ ist die erste Zusammenarbeit mit Laurent Chétouane.
Moo Kim (Südkorea) startete seine Karriere als zeitgenössischer Tänzer in NYC. Er arbeitete mit jungen Kompanien zusammen wie Gallim Dance und Sidra Bell Dance New York. Seit 2011 ist er in Europa und tanzt mit Fabien Prioville, Helena Waldmann, Ana Borralho & João Galante, MOUVOIR, Sasha Waltz & Guests. Nach „BACH/PASSION/JOHANNES“ ist „Out of Joint / Partita 1“ die zweite Zusammenarbeit mit Laurent Chétouane.
Mikael Marklund ist Tänzer und Choreograf eigener Tanzprojekte. 2002 bis 2004 studierte er Tanz an der Schwedischen Ballett Akademie in Stockholm, im Anschluss setzte er seine Ausbildung bei P.A.R.T.S. in Brüssel fort. Während seiner Ausbildung erarbeitete er mehrere eigene Projekte: „Untitled Trio“ (2006), „King of my castle“ (2007) und „Deep Artificial Nonsense Concerning Everything“ (2008). Von 2009 bis 2013 war Marklund Mitglied von Anne Teresa De Keersmaekers Kompanie Rosas. Das Solo „O“, uraufgeführt beim Festival d’Avignon 2012, war die erste von elf gemeinsamen Arbeiten mit Laurent Chétouane.
Artiom Shishkov studierte von 1994 bis 2002 am Republic Music College in Minsk und später an der Weißrussischen Staatsakademie für Musik bei Eduard Kutchinsky. Er gab sein Konzertdebüt mit der Weißrussischen Staatsphilharmonie. Von 2010 bis 2012 absolvierte er ein Postgraduiertenprogramm bei Dora Schwarzberg an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien. Er ist Preisträger verschiedener Wettbewerbe, nahm an zahlreichen internationalen Festivals teil und tritt regelmäßig mit Orchestern und als Solist auf. Er spielt die erste Geige im Lipkind Quartet und vereint das Konzertleben mit Unterricht und der Anleitung von Master-Classes.
Sophie Reble geboren in Zürich, studierte Kostümbild bei Florence von Gerkan an der Universität der Künste Berlin. Ihre Zusammenarbeit mit Laurent Chétouane besteht seit 2010. Außerdem arbeitet sie als freie Kostümbildnerin im Bereich Schauspiel, Film und Performance, unter anderem mit Johannes Holmen Dahl, Ivna Zic und Martina-Sofie Wildberger am Dramaten Stockholm, am Aalborg Teater, an der Gessnerallee Zürich, an der Oper Duisburg, am HAU Hebbel am Ufer, auf Kampnagel Hamburg, am Luzerner Theater und im SIC! Raum für Kunst Luzern.
Philippe Gladieux, Lichtdesigner, arbeitet im Tanzund Theaterbereich. Er arbeitet u.a. mit Fabrice Lambert, Yves Noel Genod, Robert Cantarella, François Chaignaud. Es ist seine erste Zusammenarbeit mit Laurent Chétouane.
[Quelle: Abendzettel]
TFB Nr. 1129
Besetzung & Credits
Choreografie: Laurent Chétouane
Musik: Artiom Shishkov (Violine)
Tanz: Florence Casanave, Moo Kim, Mikael Marklund
Kostüme: Sophie Reble
Licht: Philippe Gladieux
Assistenz Choreografie: Gloria Höckner
Hospitanz: Julius Graupner
Produktion: Christine Kammer, Hendrik Unger
Kommunikation: k3 Berlin
Produktion: Partita GbR
Koproduktion: HAU Hebbel am Ufer, Kampnagel (Hamburg)
Gefördert durch: Basisförderung der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa und das NATIONALE PERFORMANCE NETZ (NPN) Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Mit freundlicher Unterstützung von DOCK 11 / EDEN*****Berlin.
Dank an die Malta Foundation und Art Stationes Foundation by Grażyna Kulczyk / Stary Browar Nowy Taniec für die Proben-Residenz.
HAU Hebbel am Ufer (HAU1)
Stresemannstr. 29
10963 Berlin
Tickets: +49 (0)30 259 004 27
tickets@hebbel-am-ufer.de
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin
Laurent Chétouane / Trailer und Videodokumentationen
- Laurent Chétouane: Interview / Portrait Laurent Chétouane (2011)
- Laurent Chétouane: Op. 131 : End/Dance (2019)
- Laurent Chétouane: Invisible Piece #2: As if there were no end (2018)
- Laurent Chétouane: Invisible Piece #1: Duett für hörende Körper (2018)
- Laurent Chétouane: KHAOS (2016)
- Laurent Chétouane: SOLI (2016)
- Laurent Chétouane: Considering (2015)
- Laurent Chétouane: BACH / PASSION / JOHANNES (2014)
- Laurent Chétouane: Sacré Sacre du Printemps (2012)
- Laurent Chétouane: Hommage an das Zaudern (2012)
- Laurent Chétouane: horizon(s) (2011)
- Laurent Chétouane: Tanzstück #4: leben wollen (zusammen) (2010)