Texte zur Produktion
Retour ist ein Solo für zwei Tänzerinnen.
Als Solo für eine Tänzerin gedacht mussten wir im Laufe des Probenprozesses feststellen, dass eine Tänzerin allein nicht alle Perspektiven, Reflektionen und Situationen darstellen kann. Die zweite Tänzerin ist Projektionsfläche, Echo und Spiegel der Solistin.
Retour beschäftigt sich mit der Frage: Was wäre wenn?
…mein Oberkörper ein Eigenleben hat?
…ich andauernd ein Spiegelbild in mir trage?
…ich nicht mit Wörtern, sondern mit meinem Körper spreche?
…der Raum nicht existent ist?
…das Stück am Ende beginnt?
…die Schwerkraft nicht existiert?
…meine Illusion, das Surreale zur Wirklichkeit wird?
…zwei Körper ein Ganzes ergeben?
Bei der Beantwortung dieser Fragen entstehen fragmentarische Bilder, die einerseits unseren bisherigen künstlerischen Werdegang reflektieren und andererseits unsere momentane künstlerische Position als determiniert darstellt. Unser Leitthema für Retour ist die Rückversicherung dessen, was uns und unsere Arbeit aus macht. Mit Retour begeben wir uns an für uns altbekannte Orte und in neue Situationen, wir stellen die Realität der Illusion und der Sehnsucht gegenüber und lassen Raum für unterschiedliche Betrachtungsweisen. Retour steht für das Zurückkommen, zu einem früheren Zustand oder Ort, für das Zurückgreifen auf bereits Gesprochenes, Gedachtes oder Durchgeführtes. Gelebtes, erlebtes und gedachtes wird zu Fragmenten die am Ende vielleicht ein neues Ganzes oder eine surreale Welt bilden. Mit Retour wollten wir ein Stück kreieren, in dem die Zuschauer eingeladen sind mit uns in eine phantastische Erlebniswelt einzutauchen, in der die Tänzer durch ihre Bewegungen und den dadurch entstehenden Charakteren eine eigentümliche Resonanz hinterlassen.
„Wir lassen nie vom Suchen ab und doch am Ende allen unseren Suchens, sind wir am Ausgangspunkt zurück und werden diesen Ort zum ersten Mal erfassen.“ T.S. Eliot
Das Kollektiv laborgras wurde im Sommer 1994 von den Tänzern/Choreografen Renate Graziadei (A) und Arthur Stäldi (CH) in Hamburg gegründet und ist seit 2000 in Berlin ansässig. Seit der Gründung des Kollektivs arbeiten sie im Sinne eines Laboratoriums mit Vertretern des Tanzes und aus anderen Bereichen der Kunst an Experimentierfeldern im Tanz. laborgras macht es sich seit jeher zur Aufgabe, Tanz als eigenständige Kunstform und Sprache zu untersuchen und die eigene Handschrift durch den Einfluss anderer Ästhetiken und Künstler offen zu halten und weiter zu formulieren.
laborgras ist davon überzeugt, dass Tanz eine Sprache ist, die wie keine andere spricht. Alle Auseinandersetzungen, Experimente und Produktionen die wir in den letzten Jahren realisiert haben, haben zu der Entwicklung unserer unverkennbaren und prägnanten Bewegungssprache geführt die wir mit der Produktion Retour fortschreiben wollen. Da sich unsere Arbeitsweise nicht auf die Herstellung von Produktionen konzentriert, sondern eher langfristig und nachhaltig eine stetige künstlerische Weiterentwicklung einfordert, verstehen wir unsere Produktionen als Zustandsberichte. Die stetige Beschäftigung und Auseinandersetzung mit unseren künstlerischen Wurzeln, und der Essenz unseres künstlerischen Antriebs steht im Gegensatz zu dem gängigen Bestreben, Neues zu schaffen.
Um unsere künstlerische Position immer wieder neu und wegweisend weiter formulieren zu können beschäftigen wir uns seit 2012 mit der Idee der Renaissance des zeitgenössischen Tanzes. Um diese Renaissance anzustoßen, gilt es für uns das Wissen aus der Vergangenheit, speziell der des amerikanischen postmodernen Tanzes mit dem wir uns seit Jahren beschäftigen neu zu erinnern, zu belichten, zu hinterfragen und in einen geeigneten Kontext zu stellen.
Studio laborgras
laborgras betreibt seit Herbst 2002 in Berlin-Kreuzberg ein eigenes Studio. Das Studio ist ein Ort für Tanz in Berlin. Die Studiobühne ist das Zuhause des Kollektivs und wird von zahlreichen nationalen und internationalen Künstlern als Research-, Austausch- und Performancezentrum genutzt. Mit den im Studio stattfindenden Residenzen, Performances, und Weiterbildung- und Forschungsprogrammen ist das Studio ein Ort der Entwicklung von anspruchsvollem, belebendem, sozial engagiertem Tanz. Im Zusammenspiel diverser Präsentations-, Weiterbildungs- und Diskussionsformen ist für laborgras das Studio ein Ort/Forum in dessen Zentrum die Künstler, ihre Arbeit, ihr Denken, und ihre Konfrontation mit sich und dem Publikum stehen. Um den Diskurs mit dem Publikum und Kollegen zu fördern, werden die im Studio stattfindenden Arbeitsprozesse und Projekte in den dafür notwendigen künstlerischen Formaten öffentlich gemacht. Den Dialog zwischen Künstler und Publikum entstehen zu lassen sieht laborgras als wichtige Notwendigkeit für die Weiterentwicklung künstlerischen Schaffens. Das Publikum ist das notwendige Gegenüber und muss daher gepflegt werden.
Die Arbeit von laborgras ist national und international anerkannt. Die Produktionen von laborgras wurden als „Innovative Tanzproduktion 2000“ (ballett-tanz) ausgezeichnet, erhielten den Essener Kurt-Jooss-Preis und wurden zum „Resolution! Aerowaves Festival“ in London und zur Deutschen Tanzplattform nach Leipzig eingeladen. Die 2006 entstandene Produktion „I, myself and me again“ wird seit der Uraufführung auf zahlreichen internationalen Festivals präsentiert und sowohl in der Tanzwissenschaft wie auch im Bereich der Neuen Medien als herausragende interdisziplinäre Arbeit besprochen. 2009 konnte laborgras mit Unterstützung von Sasha Waltz & Guests im Rahmen von „Choreographen der Zukunft“, das Solo Rückwärts produzieren und beim „Internationales Tanzfest – Tanz im August 2009“ im Radialsystem V zur Uraufführung bringen. Das Solo wurde bei 3sat als Höhepunkt des Abends „Choreographen der Zukunft“ erwähnt. Ebenso wurde Renate Graziadei in der jährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift ballett-tanz 2010 als beste Tänzerin des Jahres ausgezeichnet. Die Performance-Installation Habitat, uraufgeführt im Dezember 2010 im Radialsystem V konnte mit Hilfe des Hauptstadtkulturfonds im Rahmen von Tanz im August 2011 wieder aufgenommen werden. Alle neun Vorstellungen waren ausverkauft.
Renate Graziadei geboren in Österreich, begann ihre Tanzausbildung in der Schweiz. Anschließend studierte, arbeitete und lebte sie 3 Jahre in New York, wo sie u.a. bei der Nina Wiener Dance Company tanzte. Nach ihrer Rückkehr nach Europa arbeitete sie mit Rui Horta beim S.O.A.P. Dance Theatre Frankfurt und schloß sich danach der Hamburger Tanzgruppe COAX an. Im Herbst 1994 gründete sie gemeinsam mit Arthur Stäldi das Kollektiv laborgras. Seit der Gründung von laborgras hat sie gemeinsam mit Arthur Stäldi zahlreiche eigene Produktionen/ Projekte realisiert und war an Produktionen anderer Künstler beteiligt. Einer ihrer längsten und engsten Zusammenarbeit besteht seit 1999 mit dem Choreographen David Hernandez. In den letzten 14 Jahren war sie an den meisten seiner Produktionen beteiligt. 1997 und 1998 erhielt sie ein Stipendium des danceWEB Programms der Internationalen Tanzwochen in Wien. In der jährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift ballett international/tanz aktuell wurde sie 1997 als profilierte Nachwuchstänzerin und 2010 als beste Tänzerin ausgezeichnet. Seit 1996 unterrichtet sie regelmäßig an verschiedenen Institutionen im In-und Ausland zeitgenössische Tanztechnik, Improvisation und Komposition. Seit Sommer 2004 arbeitet sie als Korrepetitor und seit 2008 als Tänzerin bei Sasha Waltz and Guests.
Der gebürtige Schweizer Arthur Stäldi begann seine Tanzausbildung in Luzern (Schweiz) und Rotterdam (Holland). Er arbeitete anschließend an verschiedenen Stadttheatern in der Schweiz und Deutschland und gründete 1989 gemeinsam mit der Tänzerin Rica Blunck die Hamburger Tanzgruppe COAX. Seit seiner Loslösung von COAX im Sommer 1994 arbeitet er für das von ihm mit gegründeten Kollektiv laborgras und hat an zahlreichen internationalen Projekten anderer Künstler/Choreografen mitgewirkt. Eine der engsten und längsten Zusammenarbeiten besteht seit Herbst 1999 mit dem Choreografen David Hernandez. Seit 1996 unterrichtet er regelmäßig an verschiedenen Institutionen in Deutschland zeitgenössische Tanztechnik, Improvisations- und Kompositions- Workshops in Deutschland, Schweiz, Belgien, Kroatien, Dänemark, Italien, Kolumbien und bei Internationalen Festivals und in Tanzinstitutionen (u.a. Ernst Busch Schule Berlin, Tanzfabrik Berlin). Seit 2008 arbeitet er als Improvisator, Choreograf, Dramaturg (u.a. laborgras, Boost residenz programm Luxemburg) und als Technischer Leiter im Studio laborgras.
MariaGiulia Serantoni wurde 1987 in Busto Arsizio, Italien geboren. Sie begann mit neun Jahren in den Chorea Studios in Bologna zu tanzen, wo sie erstmalig mit der Graham und Limòn Technik in Berührung kam. 2009 erhielt sie ihr Diplom für Tanztheater an der Paolo Grassi School of Drama, in Mailand und gründete im künstlerischen Umfeld der Schule die Fattoria Vittadini Dance Company. Die Kompanie entstand mit der Grundidee, unterschiedliche Künstler einzuladen, die mit der festen Gruppe arbeiten. Aus diesem Konzept entstanden einige interessante Zusammenarbeiten, wie im Jahr 2010 „My true self“, choreografiert von Maya Weinberg wurde zu vielen internationalen Festivals eingeladen. 2012 hat die Kompanie eine weitere bemerkenswerte Produktion mit der Matanicola Company geschaffen „#1, 2, 3“ wurde erfolgreich in Mailand und beim Les Grand Traversèe Festival in Bordeaux aufgeführt. MariaGiulia hat 2010 am „Modem Atelier“, einem Trainingsprogramm der Compagnie Zappalà Danza in Catania teilgenommen. Im folgenden Jahr entstand ihr Solo „Whatami“, dass bei zahlreichen Festival aufgeführt wurde. Sie arbeitete auch freiberuflich für das Samotracia Dance-Theatre und die Shuko Company. Sie verfolgt weiterhin Ihre künstlerischen Projekte in Italien, lebt aber derzeit in Berlin und beteiligt sich an dem Research Project („The Renaissance of…“) von laborgras.
Chantal Margiotta, geboren in Karlsruhe, zog nach ihrer Ausbildung zur Damenmaßschneiderin nach Berlin. Dort studierte sie auf der Kunsthochschule Berlin Weissensee Modedesign und war Meisterschülerin bei Patrick Rietz. Parallel dazu arbeitete sie u.a. am Teatro del Maggio Musicale Fiorentino, Hugo Boss, Schaubühne Berlin, Deutschen Oper Berlin und bei Sasha Waltz & Guest. Seit 2008 arbeitet sie als freie Kostüm- und Modedesignerin in Berlin. 2009 zeigte sie im Finale des ´Designer for Tomorrow Awards` von Peek und Cloppenburg ihre Diplomkollektion auf der Berlin Fashionweek. 2010 wurde sie als Finalistin bei ´Start your Fashionbusiness` vom Berliner Senat prämiert. Im gleichen Jahr gewann sie den zweiten Platz des ´Innovationspreises` vom Gesamtverband Textil und Mode Berlin. Daraufhin folgte das Finale des ´Baltic Fashion Awards` und ein Stipendium der Wilhelm Lorch Stiftung. Mit laborgras arbeitet sie seit 2010 zusammen und entwarf die Kostüme zu Habitat und Inside Partita.
Lutz Deppe, nach achtjähriger Erfahrung als Photograph mit Veröffentlichungen für diverse Labels wie Torofon, Wergo, Weltwunderrecords, Verlage wie DuMont, Prestel, Edition Cantz und Ausstellungen in Berlin, Köln, Hannover arbeitete Lutz Deppe 1995 das erste Mal ausschließlich mit Licht. Zusammen mit Susanne Linke entwickelte er die Licht-gestaltung für den Tanzfilm „Märkische Landschaften“. Danach folgte eine Assistenz bei Jean Kalman für die Opera de Lyon, „Lenz“ von Wolfgang Rihm. Seitdem arbeitete er mit zahlreichen Choreografen, Regisseuren und Komponisten. Mit der Produktion Yoshi Oidas „Die Zofen“ erhielt er in London den „Time out award for the best outstanding production of the year 2003“. In den letzten Jahren waren Lichtinstallationen u.a. bei der Expo 2000, in der Cité de la Musique in Paris 2003 und in der Elisabethkirche in Berlin 2010 zu sehen. Lutz Deppe gibt Workshops im In– und Ausland und war von 2004 bis 2007 Dozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich. Seit 2010 unterrichtet er an dem Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin/ Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin.
Geboren wurde Phoebe Killdeer in Antibes an der Côte d’Azur und lebte die ersten Jahre ihres Lebens mit ihrer aus Australien nach Europa ausgewanderten Familie in Aix-en-Provence. Die Familie zog oft um. Unter anderem nach London, wo Phoebe mit 20 ihre musikalische Karriere begann: Ein Afrika-Aufenthalt hatte ihr Interesse an HipHop geweckt, auf Drängen ihrer Schwester trat sie mit selbstgeschriebenen Raps bei Jams auf. Warner Brothers bot ihr einen Plattenvertrag an, wollte die französische Jill Scott aus ihr machen. Phoebe wollte nicht. Da arbeitete sie lieber weiter als Tontechnikerin und Live-Mischerin in Londoner Clubs. Den ersten größeren Auftritt hatte sie 2003 als Gaststimme auf dem Basement-Jaxx-Album „Kish Kash“. In diser Zeit schickte ihr Management eine Demo-CD an Marc Collin, der neue Sängerinnen für Nouvelle Vague suchte. Seither hat sie in Paris, Zimbabwe, London, Barcelona gelebt, „und das ist doch das Allerwichtigste für einen Künstler: Inspirationen zu suchen, neue Erfahrungen zu sammeln, neue Leute zu treffen, neue Kulturen zu kapieren“, sagt sie. „Die Welt hat sich mir geöffnet. Daher stammen meine Songs.“ Das Album „Innerquake“ ist die zweite Platte, die Phoebe mit ihrer Band The Short Straws eingespielt hat. Sie speist sich aus all den Arten von Rock’n’Roll: aus Stooges-artigem Detroit-Punk, Rockabilly und David-Lynch-Psycho-Blues.
www.laut.de/Phoebe-Killdeer
Besetzung & Credits
Idee & Choreografie: Renate Graziadei & Arthur Stäldi
Performance: MariaGiulia Serantoni, Renate Graziadei
Komposition, Live Music: Phoebe Killdeer
Musikaufnahmen wurden eingespielt von
Gitarre & Singende Säge: Ole Wulfers
Perkussion: Oli Savill
Bass and Kontrabss: Julien Decoret
Trompete: Mareike Hube
Dramaturgie: Arthur Stäldi
Kostüm: Chantal Margiotta
Lightdesign: Lutz Deppe
Technik: Andrea Parolin & Arthur Stäldi
Produktion: Inge Zysk
PR, ÖA: k3 – berlin
Ein Projekt von laborgras gefördert durch
„Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten“.
Made at Studio laborgras.
laborgras
Paul-Lincke-Ufer 44 A
10999 Berlin
Videodokumentation
Die Videodokumentation wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt hergestellt. Im Rahmen dieses Auftrags werden Produktionen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes in Berlin dokumentiert. Die Masteraufnahmen werden von der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin archiviert. Kopien der Dokumentationen auf DVD werden folgenden Archiven zur Verfügung gestellt und sind ausschließlich im Präsenzbestand (an den Medienplätzen vor Ort) zur Sichtung zugänglich:
Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin
Mediathek für Tanz und Theater des Internationalen Theaterinstituts / Mime Centrum Berlin
Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin
LaborGras / Trailer und Videodokumentationen
- LaborGras: Interview / Portrait LaborGras (2010)
- LaborGras: DAS FEST (2022)
- LaborGras: sinnestaumel (2021)
- LaborGras: Das Fest (Film) (2020)
- LaborGras: Er… Sie… und andere Geschichten (2019)
- Instant Feedback / LaborGras: Er… Sie… und andere Geschichten (2019)
- LaborGras: Silent Confrontation (2018)
- 24/7 Tanzfilm / LaborGras: Silent Confrontation (2018)
- LaborGras: Methods of remembering (2017)
- LaborGras: Broken Mirror (2017)
- LaborGras: Axioms Between Frames in Time (2017)
- LaborGras: Ambulo ergo sum – Ich laufe, also bin ich (2015)
- LaborGras: Transition (2014)
- LaborGras: Improvisation (2010)
- LaborGras: Improvisation (2010)
- LaborGras: HABITAT (2010)
- LaborGras: Rückwärts (2009)